– es gilt das gesprochene Wort –

Predigttext: Jesaja 9, 1-6

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst, auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er´s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.

Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.

 

 

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.                           Gemeinde: Amen.

Im Jahr 1804 bleiben Schnee und Frost bis in den März. Es ist ein kalter Winter, der viele Menschenleben fordert. Auch am 12. Februar ist es kalt. In einer Königsberger Wohnung liegt Immanuel Kant in seinem Bett und wartet auf den Tod. Zeitlebens hat der Philosoph sich gefragt, was man glauben darf. Was man hoffen kann.
In seinen letzten Stunden ist ein Pfarrer bei ihm und als der Philosoph nach einem Glas Wasser verlangt, nimmt er dieses mit den Worten „Es ist gut.“ Es sind die letzten Worte des großen Denkers.
Ob er damit das Wasser meint, eine Zusammenfassung seines Lebens formuliert oder einfach den Moment des nahen Sterbens beschreibt, bleibt offen.

300 Jahre nach der Geburt des Königsbergers fragt sich die Welt immer noch: Was darf ich hoffen? Was ist realistisch? Was hätte Immanuel Kant zu unserer Zeit gesagt? Ein „Es ist gut“ kommt mir angesichts des dunklen Jahres nicht über die Lippen. Zu viele Rück- und Tiefschläge hat die Welt einstecken müssen. Es ist gut denke ich nicht.

Doch gute Hoffnungen gibt es trotzdem viele. Eine Frau, die das erlebt hat, feiern wir heute. Maria, eine einfache Frau aus einem unterjochten Volk, hat nicht aufgegeben. Hat den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Ist nicht auf halber Strecke umgedreht. Sie hat die unglaubliche Botschaft des Engels staunend und glaubend angenommen mit allen Folgen für ihr Leben. Sie hat Jesus, dem Sohn Gottes, das Leben geschenkt und ist ihm eine gute Mutter gewesen mit Josef, der zu ihr gestanden hat.

Im Krippenspiel heute konnten wir eindrücklich miterleben, wie Josef sich durchgerungen hat, mit Maria die Aufgabe anzunehmen. Dem Messias gute Eltern zu sein – was für eine Aufgabe.

Was darf die Welt hoffen? Was darf ich hoffen?

Auf Frieden möchte ich hoffen. Auf die Überwindung des Aggressors, auf Frieden. Und ich hoffe gleich mit, dass Syrien nicht im Chaos versinkt. Dass sich die Inflation in Luft auflöst und es wieder als normal gilt, dass Menschen eine bezahlbare Wohnung finden. Ich wünsche mir, dass Demonstrationen nicht zum Hass aufrufen und Frieden herrscht unter allen Völkern. Ich wünsche mir, dass das Friedenslicht im nächsten Jahr wieder direkt aus Bethlehem kommen kann, und dass Bethlehem dann ein Ort mit einer großen Friedenshoffnung ist.

Ich hoffe, dass die Menschen in Magdeburg es schaffen, weiterhin zueinander zu stehen, dass sie Trauernde und Verletzte trösten, einander Halt geben und ihre Herzen als einen Ort des Friedens bewahren – dass sie dem Hass keinen Raum geben.

Die Zuversicht ist nicht klein zu kriegen, immer und immer wieder glimmt die kleine Flamme auf.

Gott hat einst extra das Licht angemacht. Bei einem jungen Paar auf der Flucht in einem Stall. Damit es in die traurigsten Ecken scheint, zu ärmsten Tagelöhnern, Angsthasen und Verstreuten. Gott macht heute extra das Licht an und Kant, der große Philosoph, sagt: Die Hoffnung ist nicht dumm oder naiv.

Über das Wetter im Jahr 733 v. Chr. wissen wir wenig, aber schon damals redet ein Mensch ein bisschen wie Kant über die Hoffnung. Verbreitet wahnwitzig Zuversicht. Sagt seinem Volk, was man hoffen darf. Was realistisch ist. Gut ist es nämlich auch damals nicht.
Jesaja heißt der Prophet. Wir sind ihm schon am ersten Advent hier in der Klosterkirche begegnet und er spart nicht mit großen Worten. Wir haben sie vorhin als Weissagung gehört. „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. …“ Jesaja hat Mut gemacht. Er hat gesagt, was er gesehen hat.

Gott wird extra ein Licht anmachen, für euch, die ihr jetzt traurig seid. In die dunkelsten, in die traurigsten Ecken soll es leuchten. Licht. Hoffnung. Kleine Flamme Zuversicht.

Gut ist es auch damals nicht. Aber Jesaja prophezeit, dass der Schrei eines Neugeborenen die leidende Welt erlösen wird. Dass das Grau in Grau verschwindet. Dass wieder geerntet und geteilt wird. Dass alles Militärische den Flammen übergeben wird. Dass die Welt sich erneuern wird.

Jesajas Worte tun gut – auch in dieser Zeit. Darum, sagt er, richtet euch nicht ein im Dunklen. Nehmt den Ernst der Lage wahr, aber ergebt ihm euch nicht. Ein Kind wird die Welt retten. Die Welt erscheint dunkel und verbraucht. Wohl wahr, ein tödlicher Egoismus hat sich in ihr breit gemacht, der die guten Strukturen bedroht, unser Auf-guten-Wegen-unterwegs-Sein lähmt. Die Demokratie ist gefährdet, Falschmeldungen machen die Runde und an zu vielen Ecken auf der Welt regieren das Gewehr und die Gewalt.

Die Wüste wächst und das Licht der Hoffnung scheint spärlicher. Natürlich wählt Jesaja damals große Worte für eine Welt, die sich verlassen wähnt. Es ist dem Propheten hoch anzurechnen, dass er trotzdem ein Hoffnungsbild malt. Nicht als Placebo, nicht als Vertröstung. Der Trost, den Jesaja verheißt, ist konkret. Durchdringend und laut. Und die großen Worte des Jesaja sind real. Denn er verkündigt, was er gesehen hat. Seinen Traum verschweigt er den Menschen nicht.

Gott wird ein Licht anmachen, sagt er. Glaubt es mir.

Die Hirten dann haben es erlebt.
Die Nacht ist klar und kalt. Die Szenerie ist nüchtern. Aber plötzlich ist da ein Licht über den Feldern von Bethlehem.

Und immer dann, wenn ein Kind zur Welt kommt, kommt eine Erinnerung an dieses eine Kind in die Welt, von dem Jesaja gesprochen hat.

Immer dann, wenn ein Kind zur Welt kommt, kommt eine Erinnerung an dieses eine Kind in die Welt, das im Stall von Bethlehem das Licht der Welt erblickt und das Licht der Welt wird.

Ein Kind wird geboren. Gott hat die Welt nicht aufgegeben. Ein Kind wird geboren und mit ihm kommen Hoffnung auf Wärme und Frieden und Neubeginn in die Welt.

300 Jahre nach der Geburt des Königsberger Philosophen Immanuel Kant und fast dreitausend Jahre nach dem Propheten Jesaja fragt die Welt immer noch: Was darf ich hoffen? Was ist realistisch?
Irgendwo schreit ein Kind und zerreißt die Starre. Dieses Kind ist das Licht, das in der Dunkelheit stört. „Wenn du ein Kind siehst, hast du Gott auf frischer Tat ertappt.“, sagt Martin Luther. Das ist kein Zweckoptimismus, da öffnet sich eine Tür. Ich glaube, dass diese Welt und alles, was in ihr ist, eine offene Tür verdient hat, einen Lichtstrahl, der zu uns reinfällt.

Wer diesem Kind begegnet, schaut Gott ins Herz. Und wer einmal Gott ins Herz geschaut hat, weiß, woher er kommt, wohin er geht, und warum er eine Fröhlich­keit in sich trägt, über die er sich manchmal selbst wundert.
Jedes Jahr geraten wir um die Weihnachtszeit in „andere Umstände“. Das ist für mich die Erinnerung daran, dass der Mensch über das Hungern und Dürsten und Arbeiten und Rechnen und Planen, über das Gewinnen und Verlieren hinaus eine Geschichte hat, die sich auf Frieden reimt, die nach Liebe riecht und der Zärtlichkeit weiten Raum schenkt.[1]

Gott hat diese Welt nicht aufgegeben. Und das feiern wir heute.  Mit Weihnachtsliedern und mit der Weihnachtsgeschichte, mit Lichtern an den Christbäumen und in den Fenstern.
Und wenn wir in diesem Jahr für nichts davon Kraft hatten, dann mit etwas Weihnachtslicht auf dem Gesicht.

Ja, Existenzangst liegt bei vielen Menschen mit unterm Baum. Doch Gott hat ein Licht angemacht. Er sagt: Das muss nicht so bleiben. Und wir können uns das gegenseitig auch sagen. Können es den anderen Prophezeiungen entgegensetzen. Weil es etwas ausmacht, auf welche Seite wir uns konzentrieren: Die des Lichts oder die der Schatten.

(Kleine Pause)

Da ist die Sorge darum, wie es weitergeht. Wird es Frieden geben? Was wird aus den USA kommen? Die Tafeln haben nicht genug Lebensmittel, um alle versorgen zu können. Die Verschnaufpausen für uns, für die Welt werden weniger und kürzer.

Ich weiß, die Weisen aus dem Morgenland gehen auf Umwegen zurück (wegen der Gefahr). Die Engel singen woanders und die Hirten gehen wieder an ihre harte Arbeit.
Wunderbarer Rat; Gott, ein Held; Ewiger Vater; Friedensfürst.
Das ist keine Utopie. Der Frieden hat einen Namen. Und das Leben hat eine Weite. Und die Liebe hat einen Ort. Und die Zärtlichkeit hat einen Grund und Heiligabend hat einen Anlass und deine Geschenke haben ein Motiv und deine Hoffnung ist nicht für die Katz.[2]

 

Was darf ich hoffen? Was ist realistisch?

Der Heilige Abend, die Weihnachtszeit, die alten Raunächte sind die Zeit der Wunder und Wünsche. Und mein Wunschzettel sieht so aus: Ich wünsche mir mehr Rücksicht. Mehr Nachdenken. Mehr Bereitschaft zuzuhören.
Möglicherweise ist das naiv und unrealistisch. Von einem „es ist gut“ bin ich weit entfernt, aber ich glaube „Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist.“ Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles, was wir zur Sache des Friedens zu denken wagen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.    Gemeinde: Amen.

 

Diese Predigt verdanke ich zu Teilen Pfarrer Frank Nico Jaeger (evangelisch.de) und dem Austausch mit Marie-Luise Gürtler.

[1] Abschnitt von Gerhard Engelsberger, Kurzpredigt Weihnachten, Pastoralblätter Dezember 2024

[2] Ebd.