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Predigttext_______________________________
HuT 424 Der Abend kommt
Predigt___________________________________
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und
unserm Herrn Jesus Christus.
Gemeinde: Amen
Elisabeth ist seit vielen Jahren Witwe. Sie lebt mit ihren Kindern in
einem Haus. Ihr Leben verläuft in geregelten Bahnen. Die Abende
gleichen einander. Zum Abendbrot nimmt sie sich täglich zwei
eingefrorene Brotscheiben aus dem Gefrierschrank. Einer der
letzten Gänge führt sie immer zum Kaninchenstall. Ihre Kinder
wollen ihr das Füttern der Kaninchen am liebsten verbieten. Sie
gibt ihnen – da haben sie ja recht – manchmal mehr als nötig. Dann
geht sie ins Haus und sieht manchmal noch ein bisschen fern. Bald
geht sie ins Bett. Die Wege, die sie am Tag geht – sie fallen ihr
manchmal schwer. Sie ist nun weit über die 80. Ihr Heinz ist schon
seit 12 Jahren nicht mehr da. Erleichtert, dass sie alle ihre Wege für
diesen Tag geschafft hat, geht sie zu Bett. Es hat etwas Tröstliches
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für sie, dass alle Pflichten von ihr abfallen. Das Tagwerk ist erledigt.
Sie kann in Ruhe einschlafen.
Der Abend kommt, nun enden unsre Wege.
Markus ist Arzt. Heute hat er Nachtdienst. Draußen wird es schon
ein bisschen hell. Manche Kolleginnen und Kollegen haben einen
Schrittzähler. Er nicht. Er weiß auch so, dass er sich die Hacken
abgerannt hat in diesem Dienst. Mehrere Operationen. In der
Notaufnahme war auch ganz schön was los. Heute wird sein
Rhythmus wieder mal völlig quer zu dem von Freunden und Familie
sein. Er freut sich schon auf den Moment, wenn er zu Hause ist,
noch einen Milchkaffee auf dem Balkon trinkt und dann müde ins
Bett fällt. Für viele beginnt dann der Tag. Für ihn ist eigentlich so
was wie Abend. Dankbar ist er, dass er jetzt bald alles von sich
abfallen lassen kann. Es ist getan, was getan werden muss. Auch
wenn es Morgen ist:
Der Abend kommt, nun enden unsre Wege.
Johannes rafft sich noch einmal auf. Linus, Zoe und Lene sind im
Bett. Nachdem sie eingeschlafen waren, hat er erst einmal ein paar
Seiten gelesen. Das Wäsche aufhängen schafft er dann immer
noch. Die Tage hier bei den Kindern sind seltsam. Seit er sich von
seiner Frau getrennt hat, ist er Gast in der eigenen Wohnung. Für
die Kinder ist es gut. Sie haben nach wie vor ein Zuhause und sie
haben beide Eltern. Aber für ihn … Er bringt sie abends ins Bett
und manchmal ist er dann am nächsten Morgen schon nicht mehr
hier und ihre Mutter weckt sie und schickt sie zur Schule. Und
trotzdem ist er froh über diesen Tag. Sie haben ausgelassen
miteinander gespielt. Es war anstrengend. Er weiß, was die Kinder
beschäftigt, welche Sorgen sie drücken, was in der Schule und im
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Kindergarten los ist. Jetzt noch ein paar Handgriffe und dann
schnell schlafen. Er lässt den Tag noch einmal vor seinem inneren
Auge Revue passieren. Es war gut. Gleich wird er müde ins Bett
fallen.
Der Abend kommt, nun enden unsre Wege.
Der Abend kommt, nun enden unsre Wege.
Du Gott der Stille, deinen Frieden lege
auf unser Haus und auf das dunkle Land
und lass uns ruhn in deiner guten Hand.
Drei Menschen. Drei ganz gewöhnliche Tage. Diese drei Menschen
verbindet, dass sie am Abend gelassen auf den Tag zurückblicken
können. Es hat etwas Tröstliches, wenn der Abend kommt, wenn
die Nacht da ist. Wenn keine weiteren Wege auf mich warten, ich
getrost ins Bett gehen kann.
Ob einer von den dreien oder alle auch die nächsten Sätze unseres
Abendliedes mitsprechen könnten?
Du Gott der Stille, deinen Frieden lege
auf unser Haus und auf das dunkle Land
und lass uns ruhn in deiner guten Hand.
Da erwartet jemand viel von der Stille der Nacht und vom Gott der
Stille. Die Bitte, dass Gott seinen Frieden auf unser Haus und auf
das dunkle Land legen möge, ist ein schönes Bild. Frieden auf
etwas legen – das ist eine sanfte Vorstellung. Und lass uns ruhn in
deiner guten Hand. Das ist eine glaubensvolle, vertrauende Bitte
von Menschen, die ihrem Schöpfer ganz vertrauen.
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Und trotzdem – vielleicht deutet sich hier schon an, was in den
nächsten Strophen deutlicher werden wird. Das dunkle Land ist
vielleicht nicht nur das in nächtliches Dunkel getauchte Land. Ich
denke hier auch an anderes Dunkel. An unser Land, das Frieden,
Verständigung zwischen Menschen mit unterschiedlichen
Erfahrungen und Meinungen so dringend braucht, an Europa mit
seinen großen Herausforderungen, an Krieg und Ungerechtigkeit.
Aber vielleicht hat Jörg Zink bei dieser Strophe auch wirklich nur an
das Land im nächtlichen Dunkel gedacht. Wir wissen es nicht.
Der in den Abendliedern unserer Kirche konservierte und so
lebendige Glaube hat eine große Tiefe und er spiegelt ganz
verschiedene Erfahrungen von Menschen mit dem Abend und mit
der darauffolgenden Nacht. Von einer Erfahrung haben wir eben
gehört: Der Abend kommt, nun enden unsre Wege. Wir könnten
das vielleicht Trost I oder ´Trost in normalen Zeiten´ nennen.
In den nächsten Strophen wendet sich der Dichter einer ganz
anderen Dimension zu. Es gibt auch die Menschen, die nachts wach
liegen, die kein Auge zutun, weil sie so umgetrieben sind von allem,
was in der Welt an Schrecklichem geschieht, wo Menschen
schuldig werden. Bevor ich die beiden Strophen vorlese, will ich Sie
auf die Bewegung aufmerksam machen, die in ihnen liegt. Sie
beginnen mit einer Feststellung. „Die Nacht ist tief.“ „Die Nacht ist
bang.“ Sie beschreiben die leidzerrissne Erde und sie münden in
eine Bitte, die von großem Vertrauen erzählt, dass auf die tiefe
Nacht, auf Streit, auf Schuld, ein neuer Tag folgen wird. Diese
Bewegung können Sie in ganz vielen Abendliedern wiederfinden.
Ja, es wäre vermutlich eine lohnende Aufgabe, mal eine Theologie
der Abendlieder zu schreiben. Sie würde große Ähnlichkeiten in
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Abendliedern vom Mittelalter bis in unsere Gegenwart entdecken.
Da bin ich ganz sicher.
Die Strophen 3 und 4:
Die Nacht ist tief. Sie hält das Herz gefangen.
Wo wir auf dunklen Wegen irrgegangen,
führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt,
und wir von deinem Licht durchdrungen sind.
Die Nacht ist bang. Gib uns, dass Frieden werde.
Sieh diese arme, leidzerrissne Erde.
Du Gott des Friedens, ende allen Streit.
Mach uns zu Friedensboten dieser Zeit.
Mich fasziniert an diesem Lied, dass es die Zumutungen unserer
Zeit beim Namen nennt und keineswegs kleinredet und dass es
trotzdem so viel Hoffnung vermittelt. Und diese Hoffnung besteht
ja nicht darin, dass Gott einfach eingreifen möge. Es sind zwei
Bitten, die sich zwar an Gott richten, aber uns in die Verantwortung
nehmen. „Führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt, und wir
von deinem Licht durchdrungen sind.“ „Mach uns zu
Friedensboten dieser Zeit.
Die Melodie von Hans-Jürgen Hufeisen ist in ihrer Schlichtheit und
Bedächtigkeit einfach kongenial zum Text von Jörg Zink. Am Ende
jeder Stophe geht die Melodie ganz nach unten, um sich am Ende
wieder fast eine Oktave nach oben zu bewegen.
Wir könnten jetzt Vermutungen anstellen, wie Elisabeth, Markus
und Johannes geschlafen haben. Ob Trost I oder der „Trost in
normalen Zeiten“ geholfen hat. Wir wissen es nicht. Vielleicht war
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Elisabeths Mann Heinz im Krieg und ist traumatisiert
zurückgekommen. Vielleicht beschäftigt sie der aktuelle Krieg mit
Russland mehr als alle von ihr wissen. Vielleicht erlebt Markus in
seiner Klinik schreckliche Schicksale von Menschen auf der Flucht
oder aus dem Krieg und sein harter Arbeitsalltag ist nur die eine
Seite seines Lebens und seiner Belastung. Vielleicht fragt sich
Johannes abgesehen von seinen Alltagssorgen eines getrennten
Familienvaters auch, wie die Welt für seine Kinder wohl in 20 oder
30 Jahren aussehen wird, ob sie auf dieser Erde überhaupt noch
glücklich leben werden.
Für uns alle gilt: Der Glaube kann Berge versetzen. Und ich wage zu
behaupten: Der Glaube der Abendlieder kann besonders große
Berge versetzen.
Warum? Weil Menschen, die mit einem solchen Trost abends ins
Bett gehen und mit einer solchen Hoffnung auf Veränderung
morgens aufstehen können, einfach ein Segen sind. Ein Segen für
die Menschen, denen sie begegnen. Ein Segen für die Welt, in der
sie leben und wirken. Ein Segen für die Kirche, die sich auf sie
verlassen kann. Sie können Salz der Erde sein und Licht der Welt.
Und natürlich wäre dieses Abendlied kein Abendlied, wenn es nicht
auch den ganz großen Bogen schlagen würde. Wenn die vierte
Strophe beginnt: Es kommt dein Morgen. Dann meint das nicht
einfach den nächsten Sonnenaufgang. Es kommt dein Morgen. Da
denken wir gleich an die Menschen, für die dieser Morgen nicht
einfach der Anbruch eines neuen Tages ist, sondern der Morgen in
der anderen Welt bei Gott. Diese Hoffnung überstrahlt alles. Und
so wird die Bitte in der letzten Strophe auch ganz universal,
umfasst den ganzen Erdkreis, nicht nur die Menschen, sondern
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Gottes ganze Schöpfung. Da wird kein Unterschied gemacht
zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion. Die
Bitte an Gott ist so groß – größer geht es einfach nicht.
Es kommt dein Morgen. Bleib mit deiner Güte
bei allen Menschen. Schütze und behüte,
was du erschaffen, bis dein Tag anbricht,
und wir dich schaun, dich und dein helles Licht.
Die ganze Schöpfung, Menschen, Tiere und Pflanzen, geht der
Zukunft Gottes entgegen. „ … bis wir dich schaun, dich und dein
helles Licht.“ Das ist das große Ziel.
Aber bis dahin wird Elisabeth abends weiter die Kaninchen füttern –
auch wenn es zu viel ist.
Markus wird seine Dienste im Krankenhaus schaffen und sein
Bestes geben. Und Johannes wird seinen Kindern auch in dieser
nicht idealen Situation ein guter Vater sein.
Diese drei und wir alle leben von Trost I – „Der Abend kommt. Nun
enden unsre Wege.“
Diese drei und uns alle will Gott in die Pflicht nehmen als
Friedensboten dieser Zeit.
Diese drei und wir alle werden einst Gott schauen; ihn und sein
helles Licht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alles, was wir zur Sache des
Friedens zu denken wagen, der wird unsere Herzen und Sinne
bewahren in Christus Jesus.
Gemeinde: Amen.
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