DIE GNADE GOTTES IST ERSCHIENEN, DIE ALLEN MENSCHEN RETTUNG BRINGT

Predigt zum letzten Sonntag nach Epiphanias 28. Januar 2024

In der Klosterkirche zu Cottbus

Von Rolf Wischnath

 

Predigttext

TITUSBRIEF KAPITEL 2, DIE VERSE 11 – 15 / gelesen als Epistellesung

Lutherübersetzung 1912 [Deutsche Bibelgesellschaft]

 

11 Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen

12 und züchtigt uns,

dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste,

und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt

13 und warten auf die selige Hoffnung

und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsres Heilandes, Jesu Christi,

14 der sich selbst für uns gegeben hat,

auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit

und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum,

das fleißig wäre zu guten Werken.

15 Solches rede und ermahne und strafe mit gutem Ernst.

Lass dich niemand verachten.

BasisBibel 2022 [Deutsche Bibelgesellschaft]


11 Denn die Gnade Gottes ist erschienen, die allen Menschen Rettung bringt.

12 Sie bringt uns dazu,

uns von der Gottlosigkeit und den menschlichen, verfehlten Neigungen loszusagen.

Dann können wir in dieser Welt als bedachte und gerechte Menschen leben

und unseren Glauben ausüben.

13 Gleichzeitig warten wir auf die Erfüllung unserer Hoffnung, die uns beglückt:

das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus.

14 Der hat sein Leben für uns gegeben. So hat er uns von allem erlöst,

was aus der Gesetzlosigkeit entsteht.

Und so wollte er sich ein reines Volk erschaffen, das ihm gehört –

ein Volk, das nur darauf aus ist, Gutes zu tun.

15 So sollst du zu den Menschen reden, sie ermahnen und zurechtweisen.

Tu das mit allem NachdruckNiemand soll dich geringschätzig behandeln.

Nur fürs Manuskript:
Titus i
st der heidenchristliche Begleiter des Apostels Paulus zum Apostelkonzil, das im Jahr 49 nach Christi Geburt in Jerusalem stattfand. Beim Apostelkonzil ging es um die Frage, in wieweit und in welcher Form getaufte Christen nicht nur christliche, sondern auch jüdische Vorschriften – zum Beispiel die der „Beschneidung“ [das ist die Entfernung der Vorhaut des männlichen Gliedes bei Neugeborenen] – in der Wahrnehmung ihres Glaubens zu beachten haben. Titus wurde später von Paulus nach Korinth gesandt, um dort die nach heftigen Auseinandersetzungen bedrohte Übereinstimmung mit ihrem Apostel Paulus wiederherzustellen. [Wir sehen: Auch schon in der frühen Zeit der Gemeinde / Kirche der Apostel gab es erhebliche Auseinandersetzungen.] Später beauftragte Paulus seinen Schüler Titus mit der Leitung der christlichen Gemeinde auf Kreta. Er ist Empfänger des zum Neuen Testament gehörenden Titusbriefes. Ob dieser Brief tatsächlich von Paulus stammt, ist in der Neutestamentlichen Wissenschaft umstritten. Ich finde den Streit für die Predigt über den Titusbrief unerheblich.

PREDIGT

 

I

Das war Donnerstag ein rabenschwarzer Tag für unsere Evangelische Kirche. Die Nachrichten aus der Sex- und Missbrauchsstudie, diese Zahlen sind recht eigentlich unvorstellbar – über tausend. Und das sei nur die Spitze der Spitze des Eisbergs. Ich selber kann mich nicht erinnern, solche Bescheide und die damit verbundene Erschütterungen in meinem Leben und in den vierzehn Jahren meiner Mitgliedschaft in der Kirchenleitung auch nur ansatzweise wahrgenommen zu haben. Dass die Evangelische Kirche in Deutschland und in ihr die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg einmal ausführlich ganz am Anfang der Fernsehnachrichten „Tagesschau“ oder „Heute“ bedacht und Vergehen in ihren Ausmaßen dort angezeigt und besprochen worden wäre, daran kann ich mich nicht erinnern. Und dazu nun in dieser Sonntagspredigt etwas zu sagen, ist schwer. Dazu nichts zu sagen, wäre unvertretbar.

Zuvor aber möchte ich über etwas Anderes sprechen. Von unserer evangelischen Hauptbotschaft ist auch heute vorrangig zu predigen. Sie geht über das Aktuelle hinaus. Und weil auch die evangelische Kirche mehr ist als die Summe ihrer Verfehlungen, beginne ich mit dieser Hauptbotschaft anhand von Kapitel 2 des Titusbriefes. [Diesen Text haben wir eben als Epistel gehört haben, und Sie können ihn im Gottesdienstblatt mitlesen.]

II

In Titus 2 hören wir eine erstaunlich knappe Rede. Hier finden wir in äußerster Kürze eine Predigt, die alles enthält, was zu unserem Heil zu glauben und zu bedenken ist. Sie ist elementar

Dass dieser Bibeltext elementar ist, ist für uns zunächst nicht wahrzunehmen. Martin Luthers Übersetzung stimmt darin genau, dass sie den ganzen Text in einem Satz unterbringt. Als solcher aber bleibt dieser eine Satz in der Übersetzung des Reformators für uns beim ersten Lesen und Hören kaum nachvollziehbar. Und solche Wörter wie „züchtigen“, „weltliche Lüste“ oder „strafen mit Ernst“ oder „gottselig“ verschließen meine Ohren. Wir sehen, ohne eine Elementarisierung [wie sie etwa in der neuen Übersetzung der BasisBibel (2022) vorgenommen wird] geht es gar nicht.

III

Die Gnade Gottes ist erschienen, die allen Menschen Rettung bringt (V. 11).

Das ist der wichtigste Satz. Was sehen wir: Die Gnade hat ein Gesicht und eine Gestalt, eine Stimme und ein Gehör. Es ist das Gesicht und die Gestalt und die Stimme und das Gehör eines Jungen, der in der seltsamen Behausung eines Stalls und einer Krippe geboren wird, der am Kreuz unüberhörbar nach Gott schreit. Und es ist der, der im österlichen Glanz der Auferstehung – „in anderer Gestalt“ (Markus 16, 12) – seinen ungläubigen Jüngern erscheint. Ein Mensch! Und das Allerwichtigste, das von diesem Jungen gesagt werden kann / muss:

In ihm lässt GOTT sich sehen und hören.

Und das ist die eine Gnade Gottes, die alle Menschen betrifft: alle Menschen.

Alle Menschen bekommen es mit der Gnade Gottes zu tun. Niemand ist ohne Gnade? Niemand – ist wirklich davon ausgeschlossen. Alle sind im Licht der Gnade anzusehen. „Alle“? Auch die schlimmsten Sünder und Sünderinnen? Auch ich? Warum? Was heißt das denn? Durch wen ist die Gnade Gottes für alle Menschen erschienen? Wen dürfen wir da benennen?

„Fragst Du, wer der ist, / er heißt Jesus Christ, / der Herr Zebaoth / und ist kein andrer Gott, / das Feld muss er behalten“ [M. Luther Strophe 2 von „Ein feste Burg ist unser Gott“].

IV

Und Gnade-ist ein Grundwort unseres Glaubens. Gott in Christus ist uns freundlich zugewandt und begleitet das Leben in freierTreue zu seinen Menschen.

Obwohl Menschen sich in Sünde verstricken und so von Gott abkehren, schenkt er Ihnen „Anteil an seinem Leben in Gerechtigkeit“. So hat er uns von allem erlöst, „was aus der Gesetzlosigkeit entsteht.“ So erlangt der Mensch Gemeinschaft mit Gott aus Gnade, nicht durch seine Verdienste (Römerbrief 3,24). Gnade ist die freie Zuwendung Gottes. Und ihre verändernde Kraft ist im Leben von uns Menschen erfahrbar, – auch in deinem und meinem Laben – z. B. in Gnadengaben, die teilnehmen an einem Leben in Gerechtigkeit.

Diese Gnade Gottes ist „erschienen“, heißt es. Epiphanä / Epiphanias – Das griechische Wort wird im damaligen Sprachgebrauch verwendet, um das gewaltige, herrliche und machtvolle Einschreiten und Eingreifen von Göttern und Königen zu beschreiben. Ist Gottes Gnade  zu Epiphanias so „erschienen“?

V

 

Der Christus Jesus hat sein Leben für uns gegeben.

So hat er uns von allem erlöst,

was aus der Gesetzlosigkeit entsteht.

So ist daran zu erinnern, dass nämlich unser „religiöses Grunddatum“ in einem Menschen liegt, der den Namen „Jesus von Nazareth“ trägt und den die Christenheit als „Christus“, als den Messias Israels – wahrnimmt und verehrt. Das christliche „Menschenbild“ steht in vollkommenen Gegensatz zur Verzeichnung von Flüchtlingen und Minderheiten durch die AFD. Das christliche Menschenbild ist völlig unvereinbar mit sexuellem Missbrauch!

Das Kind in der Krippe im Stall zu Bethlehem, der Rabbi, der Lehrer der Bergpredigt, der vor Angst und Folter blutende Mann im Garten Gethsemane, der am blutverschmierten Kreuz auf dem Hügel Golgatha Hängende, der ins Grab des Josef von Arimathia Versenkte und der dann aus diesem Grab ins Paradies, in den Garten des ewigen Gottes Auferweckte und Auferstandene – der ist unser Menschenbild und er ist als solcher der Fels unseres Glaubens und Vertrauens. ER bestimmt, wer und was der Mensch ist. Ecce homo! „Seht der Mensch!“ ruft Pilatus im Angesicht des gefolterten Jesus Christus:

Die Soldaten flochten eine Dornenkrone und setzten sie auf sein Haupt und warfen ihm einen Purpurmantel um, […] (4) Darauf ging Pilatus wieder hinaus und sagte zu ihnen: „Seht ich bringe ihn euch heraus, damit ihr erkennet, dass ich keine Schuld finde.“ (5) Jesus trat also heraus, angetan mit Dornenkrone und Purpurmantel. Und er rief zu ihnen: „Seht der Mensch!“. Als ihn nun die Hohenpriester und die Diener sahen, schrien sie: „Ans Kreuz (mit ihm), ans Kreuz!“ [Johannes 19, 1-5]

 

„Der hat sein Leben für uns gegeben“, heißt es im Titusbrief 2. Das ist der entscheidende Satz über die Passion und den Tod Jesu, über die Krippe und das Kreuz und das leere Grab. So kann Martin Luther einmal sagen:

„Lasst uns zu diesem Kind gehen, das im Schoß seiner Mutter Maria liegt. Lasst uns hingehen zu dem Opfer, das am Kreuz hängt: Dort werden wir Gott wahrhaft betrachten, dort werden wir ungehindert in sein Herz schauen und sehen, dass er barmherzig ist und dass er keinen Gefallen hat am Tod des Sünders, sondern dass er umkehre und lebe. Aus einer solchen Betrachtung erwächst wahrer Friede und wahre Freude des Herzens.“

 

VI

Im Titusbrief heißt es: „Und so wollte der Christus Jesus sich ein reines Volk erschaffen, das ihm gehört – ein Volk, das nur darauf aus ist, Gutes zu tun.

In alledem sprechen wir von der heutigen Wirksamkeit der rettenden Gnade Gottes in der der Gegenwart und in der Zukunft – ja, in Deinem und meinen Leben, ja im „Volk das ihm gehört“. Wir gehören auch dazu. Die Kirche rettet nur dieser Christus. Die Gnade des Christus Jesus ist anspruchsvoll. Sie macht den Anspruch nicht zur Bedingung der Gnade. Aber die Gnade ist nicht ohne ihre Folgerungen. Wer die Gnade wahrnimmt, kann nicht AFD wähle. Und ihre Wahrnehmung steht auch im stärksten Widerspruch zur sexuellen Nötigung. Die Gnade ist – wie es in unserem Predigttext heißt – das Mittel des Auferstandenen „sich ein reines Volk zu erschaffen, das ihm gehört – ein Volk, das nur darauf aus ist, Gutes zu tun.“

Es gibt ein Wort Jesu, das uns dieser Tage wie ein ernstes, sehr ernstes Wort erscheint. Vielleicht trifft es der Kirche ins Herz. Möglicherweise trifft es auch mir ins Herz:

Jesus Christus spricht: „Wer einen von diesen kleinen, diesen unbedeutenden Kindern, welche an mich glauben, von mir abbringt, für den wird es schrecklich: Es wäre am besten für ihn, für den wäre es besser, wenn man ihn mit einem Eselsmühlstein – der Eselsmühlstein ist der oberste Mühlstein von größeren Mühlen – um den Hals ins Meeres wirft – dort wo es am tiefsten ist. Wie schrecklich wird es für die Welt, die Menschen von mir abbringt! Das ist unvermeidlich – aber wie schrecklich muss es erst für den Menschen sein, der andere von dem abbringt, was ich euch gelehrt habe“[Matthäus 18, 6-7).

VII

Für die aber, die nicht den Mühlstein um den Hals bekommen, gilt die Mahnung zu einem Leben im Guten. Und jede gelebte Frömmigkeit ist dann auch der bestimmende Ausdruck dafür, dass wir sehnlich erwarten, was der Apostel dem Titus hinter die Ohren schreibt:

Wir warten auf die Erfüllung unserer Hoffnung,

die uns hoch erfreut macht:

das Erscheinen der Herrlichkeit

unseres großen Gottes und Retters JESUS CHRISTUS.

Rechnen wir damit? Wirklich? Warten wir tatsächlich? Hoffen wir das, dass der heutige Tag – was immer er bringt – unter allen Umständen ein Tag ist, der uns näher bringt jenem einen Tag, an dem der HERR einmal wiederkommt, an dem die Wirksamkeit seiner rettenden Gnade heraustritt aus ihrer Verborgenheit und diese Welt für jeden sichtbar wird als die gesegnete und geheilte Welt „unseres großen Gottes“ und Retters Jesus Christus – an jenem Tag, an dem der Tod nicht mehr ist und ewiges Leben uns alle – und die anderen auch – umfasst?

Mein einstiger Lieblingsbischof Ako Haarbeck (Lippische Kirche / Detmold): hat es einmal so gesagt:

„Bitte lasst uns das ganz ernst nehmen: Wir werden unserem Herrn einmal ins Auge blicken, und wir wollen so leben, dass wir uns dann nicht schämen müssen, sondern sagen können: Wir sind zwar unnütze Knechte und Mägde gewesen, aber wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren, dank deiner Gnade.“

VIII

Das „in dieser Weltzeit“ zu glauben und zu bezeugen, ist oft anstrengend. Es ist sehr anstrengend, in einer Welt, in der so fürchterliche Dinge passieren wie an der Grenze von Palästina aus nach Israel, in Gaza, in der Ukraine, auf den Hungerfeldern Afrikas und Lateinamerikas …. Ach, es ist so mühsam so oft nur eben dies sagen zu können: „Wir warten.“ Warteraum …. Wartezeit …., Karenz …. Es ist die Armut unseres Glaubens, dass wir hier nur warten können – und allenfalls mit Herzen, Mund und Händen einige Zeichen für das Ziel, auf das wir warten, zu beschreiben vermögen.

Aber diese Armut des Wartens ist zugleich ein Reichtum: Denn in dieser Wartezeit kann uns klar werden, dass an unserem Versagen oder Vollbringen nicht die letzte Wirksamkeit der rettenden Gnade GOTTES hängt. Sie kommt und vollendet sich einmal – ohne uns, aber mit uns. Den endgültigen Tag der rettenden Gnade führt der Kommende selber herauf. Das allein hält die Feder in der Uhr unseres Lebens gespannt und hilft uns, auch an diesem letzten Epiphaniassonntag 2024 seine Gnade und Hoffnung zu erfahren und hoffentlich auch zu bewähren.

VII

Nun will ich recht eigentlich den Schlusspunkt unter diese Predigt setzen. Lang genug wars ja wieder. Aber es wäre doch ziemlich furchtsam, wenn ich es heute morgen nicht mit Ihnen noch etwas Schwieriges, sehr Schwieriges bedenken und besprechen wollte. Geht es dabei doch um eine Gnade, um eine gnädige Bewährung der uns allen geschenkten Gnade, auch der allerletzten Gnade für uns Sünderinnen und Sündern:

Unser Bischof Christian Stäblein hat gestern dazu geschrieben:

„Die ForuM-Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche hinterlässt eine tiefe Erschütterung. Es ist entscheidend, dass mit dieser Studie die Perspektive der Betroffenen in die Mitte rückt. Das Ausmaß der sexualisierten Gewalttaten in der Evangelischen Kirche – und es ist nur die Spitze des Eisbergs die wir jetzt kennen – ist furchtbar. Und der entwürdigende Umgang mit betroffenen Menschen, die so oft die Erfahrung machen mussten, dass sie nicht gehört wurden, auch. Darum muss es jetzt und in Zukunft gehen, dass endlich nicht mehr die Institution gedeckt wird, sondern von sexualisierter Gewalt betroffene Menschen gehört werden und alle Hilfe und Unterstützung erhalten. Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche ist unerträglich. Wir haben nicht geschützt, wir haben nicht gehört, wir sind schuldig geworden. Wir übernehmen Verantwortung.“

Und die Konsistorialpräsidentin der EKBO, Dr. Viola Vogel sagt dazu:

„Sexualisierte Gewalt im Vertrauensraum der evangelischen Kirche zu erleiden, ist in doppelter Hinsicht furchtbar: Zum einen zeichnen die Taten die Betroffenen für ihr Leben, machen ohnmächtig und sprachlos. Zum anderen stellen wir als Kirchenleitende mit Entsetzen fest, dass Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter auch in der evangelischen Kirche das besondere Vertrauen, das ihnen von Menschen entgegengebracht wurde, ausgenutzt und missbraucht haben. Gerade deshalb sind für uns auch nach der Forum-Studie die Anerkennung erlittenen Unrechts, das Hören der Betroffenen und die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in unserer Landeskirche vorrangig. Dazu gehören auch die finanzielle Ausstattung mit Personal und Fachleuten. Es gilt: Wir nehmen jeden geäußerten Verdacht, jede Beschuldigung, jede Anzeige ernst und ermutigen die Betroffenen sehr: Bitte melden Sie sich und helfen uns bei der weiteren Aufarbeitung! Wir hören Ihnen zu.“

 

VIII

Indem ich mir diese Sätze aus dem Konsistorium der EKBO demütig zu eigen mache, möchte ich zusätzlich drei Fragen stelle.

Ich habe dazu heute nur drei Fragen:

(1)        Mutet die göttliche Gnade uns nicht zu, die Kontakte zu einem Betroffenen langfristig aufrecht zu erhalten – möglicher Weise lebenslang, und nicht nur durch eine einmalige Zahlung abzugelten?

(2)        Ein Täter wird nachdrücklich in rechtlicher Weise zur Verantwortung gezogen – durch das staatliche und das kirchliche Disziplinarrecht. Aber haben wir das Recht, den Stab über einen der Täter endgültig zu brechen? Haben diese nach ihrer Abbüßung und Reue nicht auch ein Recht auf ein „zweites Leben“? Wie selbst gerecht wäre das denn, einen umkehrenden lebenslang zu exkommunizieren oder ihm auch nur mit Nichtachtung zu begegnen?

(3)        Werden Pfarrer, die zu Tätern geworden sind, ihr Amt je wieder ausüben dürfen? Werden in dieser „Sache“ nicht das Recht und die Stellung des Bischofs einer Landeskirche einmal mehr in seelsorgerlicher und legaler Hinsicht herausgefordert? Respektieren wir sein bischöfliches Recht und sein bischöfliches Amt oder bleibt es bei unseren unzähligen Verurteilungen?

Aus dem Genfer Psalter

 

Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm / sei unserm Gott im Heiligtum,

der Tag für Tag uns segnet; / dem Gott, der Lasten auf uns legt,

doch uns mit unsern Lasten trägt, / und uns mit Gnad begegnet.

Sollt ihm, dem Herrn der Herrlichkeit, / dem Gott vollkommner Seligkeit,

nicht Ruhm und Ehr gebühren? / Er kann, Er will, Er wird in Not,

vom Tode selbst und durch den Tod / uns zu dem Leben führen.

 

                                                                                               Matthias Jorissen (*1739 †1823)

FÜRBITTENGEBET

Gott, wir bitten dich:
Komm und schaff Frieden
in unserem Herzen und in unserer Welt,
lehre uns, die Spaltung
in unserer Gesellschaft zu überwinden,
und nimm uns mit
auf dem Weg mit dir in eine neue Zeit.

Gott, wir danken dir,
dass du zu uns kommst,
getrieben von Liebe
und Gnade der Sehnsucht,
uns nahe zu sein,
uns herauszurufen aus allem,
was uns lähmt und gefangen hält,
und uns froh zu machen
in Gemeinschaft mit dir.

Wir bitten dich:
Komm zu allen,
die zu erschöpft sind,
um noch auf irgendetwas zu hoffen,
für die jeder Tag wie ein Berg ist,
weil sie ihre innere Leere

So sehr spüren:
Hülle sie ein in deine Nähe
und schenk ihnen neue Kraft.

Komm zu denen,
die das Leben enttäuscht hat,
die hart geworden sind,
die sich und die Welt aufgegeben haben
und über deine Verheißungen
nur noch spotten.
Erwecke sie auf`s Neue
zu Hoffnung und Mitgefühl.

Komm zu den Kindern,
die um ihre Kindheit betrogen werden,
die sehen und erfahren müssen,
was ihre Seele beschädigt
und ihnen ihre Träume nimmt.

Wir bitten dich um Heilung für die Opfer

der sexuellen Missbräuche.

Lehre uns zu tun, was jetzt zu tun ist.

Auf weiteren Aufschub darf in unserer Kirche

Niemand hoffen.

Steh uns bei und stärke unsere notwendigen Vorhaben.
Tröste und heile die Opfer,

bring zur Besinnung die Täter
mit dem Geist deiner Barmherzigkeit.

Gott, wir bitten dich:
Komm und schaffe Frieden
in unserem Herzen und in unserer Welt,

Gib uns Kraft,

die Spaltungen zu überwinden.

Wir denken an die Kriege
in der Ukraine und in Gaza,
und dort, wo wir es vergessen haben
und nicht mehr wahrnehmen wollen:
an die 800 Millionen Hungernden
in dieser Welt.
An die Tausenden denken wir,
die täglich am Hunger und an der Gewalt sterben.

Das alles können wir mit unseren Sinnen

gar nicht erfassen.
So bitten wir Dich in der Stille
um Erkenntnis und Solidarität.
Ordne unsere Gedanken

Zeige uns, wo wir gebraucht werden
und wie auch wir helfen können.
und nimm uns mit
auf den Weg mit darin in eine neue Zeit.

Stille und Vater unser …..