Predigt über das Evangelium
des 4. Sonntags nach Epiphanias

  1. Februar 2025

Über Lukas 8. 22-25

in der Klosterkirche zu Cottbus

von Rolf Wischnath

Predigttext: Der Sturm auf dem See

Es ist in diesem Text die Rede vom „See Genezareth“:

Das ist der See im Norden Israels zwischen den Golanhöhen und Galiläa gelegen. Also genau dort, wo die Schatten des schrecklichsten Krieg seine finsteren Schatten wirft.

Und Jesus sprach zu seinen Jüngern:

Lasst uns ans andere Ufer des Sees fahren. Und sie stießen vom Land ab. 23Und als sie fuhren, schlief er ein. Und es kam ein Windwirbel über den See und die Wellen überfielen sie, und sie waren in großer Gefahr. 24Da traten sie zu ihm und weckten ihn auf und riefen: Meister, Meister, wir kommen um! Da stand er auf und bedrohte den Wind und die Wogen des Wassers, und sie legten sich und es ward eine tiefe Stille. 25Er sprach aber zu ihnen: Wo ist euer Glaube? Sie fürchteten sich und verwunderten sich und sprachen untereinander: Wer ist dieser, dass er auch dem Wind und dem Wasser gebietet und sie sind ihm gehorsam?

In dieser Erzählung von der Sturmstillung schreien die Jünger im voll gelaufenen Boot aus vollem Hals: „Meister, Meister, wir kommen um!“

Es macht dieser Schrei deutlich, dass die Jünger am Ende ihrer Kräfte und Möglichkeiten sind. Der Sturm lässt keinen Ausweg offen. Die Wellen haben das Schiff schon überwältigt. Aus sich heraus können die Jünger in der Lebensgefahr des Verderbens, im Sturm der Entwurzelung und Zerstörung keinerlei Gefühle einer Hoffnung mehr bewahren und die Sprache der Hoffnung nicht mehr finden?

Und eben genau hier fährt Lukas fort mit einem Wort, das die Mitte dieser Erzählung ist: „Und Jesus stand auf“. Besser: „Da stand Er auf…..“, – da stand Er auf -, und der Evangelist verwendet dabei das Wort, das an anderer Stelle das Auferstehen Jesu von den Toten am Ostermorgen bezeichnet. Wörtlich müssten wir deswegen übersetzen: „Er aber,  ganz und gar auferstanden herrschte (bedrohte) den Wind an und die Brandung des Wassers. Und sie legten sich und es geschah eine vollkommene, tiefe Stille.

Hier nun wird deutlich, dass die Evangelisten mit der Sturmstillung eine Ostergeschichte erzählen. Es ist der Auferstandene, der zuvor „entschlafen“ war, wie es heißt. „Entschlafen“ – das kann bis heute bedeuten: “Da ist einer gestorben!“ Und dieser Entschlafene kommt als Auferstandener wieder. Inin seiner österlichen Ankunft bei den Untergehenden gebietet er dem Aufruhr der Zerstörung und des Todes Einhalt. Der lebendige Christus muss zu uns – den verzweifelten, nach seiner Hilfe schreiende Jüngern kommen -„Meister, Meister, wir kommen um.“

Und nun wird es Ostern. Denn sein „Aufstehen“ in der Kraft der Auferstehung ist die einzige Hoffnung im Sturm. Und darum erzählen die Evangelisten diese Ostergeschichte mitten im zeitlichen Leben des Auferstandenen. Und mitten in unserem Leben und erst recht in unserem kommenden Ende, im Sturm unseres Sterbens hören wir diese Geschichte, damit wir begreifen:

Der Sieger über den Tod begegnet uns nicht erst nach unserem Tod in einer künftigen Welt. Da wird er uns auch begegnen, und das wird ein noch ganz und gar anderes Ostern sein – ein Ostern zur ewigen Auferstehung.

Die Evangelisten aber erzählen die Geschichte von der Sturmstillung im Heute, damit wir es heute begreifen: der Auferstandene kommt österlich zu uns: schon jetzt und hier im Diesseits auf dem Weg der Nachfolge über das Meer. Mitten in den heutigen Gefahren und Verzweiflungen wird es Ostern, mitten im gerade begonnenen Jahr 2025, mittendrin will er sich zeigen als der Herr, dem schon jetzt Wind und Wellen gehorchen müssen.

„Da stand er auf ….“, „da auferstand er“ heißt es. Und so ist er selber Ursprung und Auslöser alltäglicher Auferstehung von der Depression unserer Zeit und in unserem Leben. In dieser österlichen Bewegung – heute mitten im Winter – will er uns alle mitnehmen, weil das Leben auch unserer Generation gelingen soll.

Als Christinnen und Christen ist es unsere Aufgabe – nicht mehr und nicht weniger -, eine solche Auferstehung mitten im Alltag, diese alltägliche Auferstehung zu bezeugen und anderen Menschen einzuhelfen in ihren Schwung.

Der Glaube, nach dem der Herr uns fragt, ist der feste Halt im Sturm: die Erkenntnis darin und das Vertrauen darein, dass Jesus Christus kommt – wiederkommt-Und den Mächten der Sünde und des Todes kann er befehlen. Er kann das und er tut das, weil er in seinem Kreuz deren Macht schon gebrochen, den Stachel des Bösen und des Verderbens schon gezogen hat, so dass es auch für uns heißen mag: „… und es entstand eine vollkommene, tiefe Stille.“.

Im Glauben leben wir schon jetzt aus dieser Stille, aus diesem Frieden, den uns die Welt nicht geben kann, der aber der Welt gilt und jeden und jede von uns im letzten Grund unseres irdischen Lebens hier und jetzt umfängt. Darum kann es im 1. Johannesbrief heißen:

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“

Wo ist euer Glaube?

Wo konkret ist Euer Glaube?, fragen die Großeltern im Blick auf ihre Kinder und im Blick auf ihre Schwiegerkinder und erst recht im Blick auf fünf Enkelkinder. Jene verstehen die Sprache nicht einmal mehr. Und so geht die Antwortlosigkeit oft nicht im Widerstand gegen den Glauben einher. Sondern es ist so, als sei der Glaube und die Botschaft des Evangeliums verdunstet, spurlos verdunstet. Das macht schon Sorgen.

Heute ist das Problem der Kirche nicht der Widerspruch gegen ihre Botschaft. Nicht ihre Gestalt und Ordnung wird befragt. Nicht eine wie immer geartete Bedrohung steht an. Vielmehr ist es ihre Bedeutungslosigkeit. Ich möchte recht verstanden werden: Die Kirche ist nicht deshalb bedeutungslos, weil sie in ihrem Leben ganz banal geworden wäre. Sondern ihr Predigen, Bibelstunde-Haltend, ihre Aktivität, so vieles Gutes in ihr ist für so viele Menschen banal, bedeutungslos geworden. Die Verdunstung, die Verflüchtigung ist das Problem. Dieses Problem ist scharf ins Auge zu nehmen.

Dass die Wahrnehmung des Glaubens in dieser Klosterkirchengemeinde hineingestellt wird in die Schärfe der heutigen Aktualitäten, dass hier die heißen Eisen angepackt werden, lässt sich sehen an den Texten und Annoncen des Kampfes gegen den Rassismus und den Rechtsextremismus im Vorraum dieser Klosterkirche. Es lässt sich wahrnehmen an der notwendigen Ergänzung des Glaubensbekenntnis. [Das werde ich künftig auch vorgeben und die Gemeinden, in denen ich predige, um das Einverständnis bitten. Insofern wird mir dieser Gottesdienst unvergesslich bleiben.] Und man kann das auch sehen und begreifen als Widerstand gegen den Krieg und die Hochrüstung, dass auf dem Altar das alte Zeichen des zu einer Pflugschar umgeschmiedete Schwert. Dies alles sind mir ein Hinweis darauf, dass in dieser Gemeinde der politische Auftrag der christlichen Gemeinde wahrgenommen wird. Und das ist alles andere als banal und bedeutungslos.

Und das heißt glauben: Heute am 9. Februar 2025 nicht an den eigenen Ohnmachtsgefühlen und -einsichten verzagen. Wohl wahr: Wir leben in einer sehr schweren Zeit. Soll ich aufzählen, in welchen Ländern und Städten, in welchen Regionen die Kriege und Verbrechen, die Schicksalsschläge und Verhängnisse, die Schandtaten und Sünden zum katastrophalen Zustand geworden sind? Ich tue das jetzt nicht. Meine Worte könnten das alles nicht einholen. Und es würde uns abbringen von der großen und übermächtigen Befehlsgewalt und Herrschaft auferstandenen Jesus Christus. Ihm ist allemal mehr und alles Entscheidende zuzutrauen.

Das heißt glauben: Heute dennoch zuversichtlich leben, ohne auf diese oder jene Widrigkeit gebannt zu starren. Und dabei soll ich doch alles mir Mögliche tun, um meinen Teil zum Leben der von Gott so geliebten Menschen beizutragen.

Das heißt glauben: Heute seinem Wort mehr vertrauen als den Stimmen um und in uns, seinem Wort auch mehr zu trauen als dies, ihm – den Auferstandenen und österlich Kommenden – auch dort am Werk sehen, wo man ihn nicht kennt oder gar leugnet, seiner Ankunft und Gegenwart gewiss bleiben, auch wenn der Kahn schwankt und das Wasser über den Rand kommt.

Meine Schwestern und Brüder, wenn ich Sie so ansehe: Menschen, mit denen ich vor 25 Jahren eine Weggemeinschaft hatte und die Anderen, die ich persönlich nicht kenne, die aber jetzt mit mir unter dem Wort Gottes sind. Wir wissen wohl, was ich ja auch von mir selber weiß:

In der Mühle Ihres und meines Alltags, in welchen wir morgens die Lausitzer Rundschau oder den Berliner Tagesspiegel oder Neue Westfälische Zeitung lesen, kann es einem dabei ganz Elend werden.

Aber auch in den unspektakulären Widrigkeiten, in der Abwehr der täglichen Gemeinheiten, da kann die Frage: „Wo ist euer Glaube?“ ins Leere stoßen. Er ist oft einfach nicht da und zuhanden, wenn wir ihn brauchten.

Ich finde es von daher so tröstlich, dass Jesus uns an einer anderen Stelle des Evangeliums einen Mann zum Glaubensvorbild hinstellt, der nicht lange predigen, sondern nur noch schreien konnte: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9, 24). Dieser Mann schreit das übrigens im Angesicht eines Kindes, eines kleinen Menschen, dem er nicht helfen kann. Man kann wohl nicht anders glauben als in der Spannung dieses Schreies und in der Hoffnung, dass der, nach dem wir schreien, sich davon wecken lässt, uns erhört – und dass unser Glaube seinen Ursprung und Anker in ihm selber hat.

„Unser gloub“ nämlich, hat der bescheidene Reformator Zwingli einmal gesagt, „unser gloub, den wir zuo gott durch Christum Jesum habend, der macht uns heyl. Ist waar. Kumpt aber nit daher, daß gloub, eigentlich von uns entsprungen, das vermoeg, sondern welcher gloubt, den hat Gott vor und ee erwellet und zogen.“

Das ist es, das ich von allen Hörerinnen und Hörern hier in der Klosterkirche weiß: Er hat Sie, liebe Schwestern und Brüder, „erwellet und zogen“ – und mich auch. Das ist Kern und Stern unserer Christenexistenz.

Der lutherische Theologe Hans Joachim Iwand [* 11. Juli 1899 – + 2. Mai 1960] hat oft in den 50er Jahren als Hochschullehrer in der Universitätskirche zu Bonn gepredigt – schreibt einmal zu diesem Kern und Stern:

„In dem Anfang und in der Quelle unseres Glaubens sind wir nicht die Handelnden. Hier ist die Grenze zu allem Menschlich-Allzumenschlichen, das mit unserer immer nur bedingt zuverlässigen Persönlichkeit gegeben Ist. Diese Grenze muss gehalten, muss mit dem Einsatz der ganzen Person verteidigt werden. Der Kampf um diese Grenze ist der Kampf darum, dass die Offenbarung, das Jawort Gottes, sein Wort und die Gemeinde   S e i n  W e r k  bleibt. ‚Dafür halte uns Jedermann: für Christi Diener und Haushalter über Gottes   G e h e i m n i s s e ‘(l. Kor 4, 1). Von hier aus könnte alles Streiten und Rechthaben-Wollen, alles Verdächtigen und Sich-Reinwaschen wie auf ein Kommando von oben her abgeschnitten sein, es könnte um dieses längst erklungene und immer wieder aufs neue vernehmbare Ja aus einem Haufen verhetzter Menschen wieder die  G e m e i n d e  erstehen, (eine Kirche,) die dem Ja Gottes antwortet mit der einzigen Antwort, die Ihm gemäß ist, mit dem ‚Amen, zum Preise Gottes‘ eben dem Ja Gottes, dem kein Nein zur Seite geht,  antwortet ‚durch ‘Christus’ …. das Amen ‚durch uns‘ …… durch unseren Mund!“

Wie schön! Wie entlastend! Der Ewige ruft, beruft uns. Er zieht uns in den Glauben. Auch die Menschen, mit denen wir es in unserem Leben zu tun haben. Der Herr selber hat die letzte Verantwortung übernommen für Anfang, Kraft und Vollendung des Glaubens. Herrlich! Mein und dein Glaube und auch der heute noch fehlende Glaube von Kindern und Enkeln hängen nicht ab von deinem und meinem guten Willen und deiner und meiner religiösen Entscheidungskraft und meinem und deinem Durchhaltevermögen.

Wie gut, dass der Herr keinen überfordert, wenn er uns fragt: „Wo ist euer Glaube?“ Wie gut, dass es vor dieser Frage heißt „Da stand er auf und bedrohte den Wind an und die Wogen des Wassers, und sie legten sich, und es entstand eine vollkommene, tiefe Stille ….“

Lasst uns aus dieser Stille die Kraft schöpfen, die wir heute brauchen, um mit ihm im Schiff unserer Kirche unterwegs zu bleiben.

Lasst uns einen Moment schweigen.

 

Ich will dich mit Fleiß bewahren, /

ich will dir leben hier,

dir will ich hinfahren,

mit dir will ich endlich schweben /

voller Freud ohne Zeit /

dort im andern Leben.

 

 

 

Johann Sebastian Bach benutzte diese letzte Strophe von Paul Gerhardts Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“ in Teil III seines Weihnachtsoratoriums. Sie vertieft dort die vorangegangene Arie „Schließe, mein Herze, dies selige Wunder fest in deinen Glauben ein“.

 

 

Fürbittengebet [nach Jochen Teuffel]

 

Du sprichst,
barmherziger Gott,
damit es in uns hell wird.
Du sprichst,
damit es in der Welt hell wird.

Vertreibe mit deinem hellen Schein
die Finsternis des Krieges,
dass es ein Ende hat
mit dem Tod,
mit den Vergewaltigungen,
mit der Angst.
Erbarme dich.

Vertreibe mit deinem hellen Schein
das Dunkel von Streit und Lüge,
dass es ein Ende hat
mit hartherzigem Beharren auf dem Eigenen,
mit verächtlichen Worten über die anderen,
mit unbarmherzigen Blicken auf die Schwachen.
Erbarme dich.

Bekehre mit deinem hellen Schein
alle, die Schuld auf sich geladen haben,
dass es ein Ende hat
mit Verschweigen und Vertuschen,
damit Bitten um Vergebung von Herzen kommen,
damit die Wunden von Missbrauch heilen können.
Erbarme dich.

Ermutige mit deinem hellen Schein alle,
die im Schatten leben,
damit sich die Geknickten aufrichten,
die Gedemütigten wehren,
die Mutlosen aufatmen.
Erbarme dich.

Hülle ein in deinen hellen Schein
unsere Verstorbenen.
und alle, die trauern.

Wenn du sprichst,
barmherziger Gott,
hat die Finsternis verloren.
Sprich auch heute
und lass es licht werden
in uns,
in deiner Kirche,
in deiner Welt
durch Jesus Christus, unseren Morgenstern.
Amen.